Museum macht Knopfherstellung anschaulich

Das Museum in Reinheim widmet einen eigenen kleineren Raum der Kunststoffstraße im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Das Handwerk des Knopfmachers wird hier anschaulich und erfahrbar. Zu sehen ist der Arbeitsplatz eines Knopfmachers, wie er vor rund 150 Jahren ausgesehen haben könnte, als Knöpfe noch aus Knochen gefertigt wurden. Eine Drehbank, Werkzeuge, Rohmaterial und fertige Knöpfe, säuberlich für den Verkauf aufgefädelt oder im Jutesäcklein gesammelt, vermitteln einen Eindruck von diesem Beruf in damaligen Zeiten. Vorstellbar werden Handwerk und Arbeitsbedingungen des Knopfmachers auch über Foto- und Textdokumente, die ausgelegt und ausgehängt sind.

Den Abschluss der sehenswerten Schau stellt eine Vitrine dar, in der Knöpfe in zahlreichen Farben und Formen und aus unterschiedlichen Materialien, vor allem aus Kunststoff, zu sehen sind.

Rosemarie Töpelmann engagiert sich gemeinsam mit anderen Frauen ehrenamtlich im Museum Reinheim und hat sich dafür eingesetzt, dass es diesen eigenen Bereich für die Kunststoffstraße im Museum gibt. „Reinheim war vor rund 150 Jahren eine Art Zentrum der Knopfmacherei“,  weiß sie. In vielen Familien wurden Knöpfe hergestellt, verbürgt und dokumentiert sind etwa 17 örtliche Haushalte. In der Ausstellung des Reinheimer Museums gibt es eine Auflistung, welche Familien um 1870 das Gewerbe des Knopfmachers bei der Stadt angemeldet hatten. „Leider geht aus den Dokumenten nicht immer hervor, wie groß die Betriebe waren“, bedauert Rosemarie Töpelmann.

Das Handwerk des Knopfmachers

Möglicherweise wurde das Handwerk über den Winter von denjenigen angemeldet, die im Sommer als Saisonkräfte auf dem Feld arbeiteten. Ein Hinweis darauf ist, das die Knopfmacher ihr Gewerbe immer wieder an- und abgemeldet haben. Nur zwei oder drei Handwerksbetriebe arbeiteten beständig als Knopfmacher, hatten sogar mehrere Angestellte. Die Tierknochen kamen vermutlich vom Metzger oder Schlachter. 

Die Knochen wurden zunächst zu Platten gesägt, aus denen dann an der Drehbank die Knöpfe herausgearbeitet wurden. Der Antrieb wurde über Menschenkraft und Fußwippe oder per Dampfmaschine sichergestellt. Der Niedergang des Knopfmachergewerbes um 1900 und die Museumsgründung erfolgten fast zeitgleich. Eine alte Knopfmacher-Drehbank wurde damals dem Museum übereignet und überdauerte so die Zeit. Nach Jahr und Tag wusste niemand mehr fachgerecht mit dem Gerät umzugehen. Die alten Handwerker waren nicht mehr zu befragen. Schritt für Schritt ließ sich jedoch nachvollziehen, wie der Antrieb funktionierte, wie aus den Röhrenknochen die Knochenplatte gesägt wurde und wie der Knopf durch vier kleine Bohrer seine Löcher bekam.

An der Drehbank entstanden die Knopfrohlinge.

Die rohen Knöpfe wurden dann mehrere Tage zusammen mit Wasser und Bimsstein in einem drehbaren Fass aus Holz bewegt bis sie schön glatt waren. Die letzten rauen Stellen verloren sie bei einer gründlichen Politur. Manche Knöpfe behielten ihre natürliche helle Farbe, andere wurden in „Blauholz und Kupfervirtiol“ dunkel gebeizt. Die fertigen Knöpfe wurden für den Verkauf auf eine Schnur gezogen, so ließen sie sich leichter transportieren. „Ein großer Aufwand für diese einfachen Gebrauchsknöpfe, die sicher nicht viel Geld gebracht haben und auch nicht sehr dekorativ waren“, sagt Rosemarie Töpelmann. Besucher dürfen in das Jutesäcklein mit fertigen Knöpfen hineingreifen und das Naturmaterial befühlen, das sich wärmer und weniger glatt anfühlt, als heutige Knöpfe aus Kunststoff.  Ein paar gebrochene Stücke sind auch darin, da zeigt sich, dass die beinernen Knöpfe nicht so haltbar waren. Dafür waren sie aber recycelbar und Abfallstücke und Bruch, konnten zu Knochenmehl zerrieben, auch als Düngemittel genutzt werden. „Ja, insofern ist das wirklich nachhaltig gewesen“, lacht Rosemarie Töpelmann.

Die Reinheimer Knopfmacher haben die Knöpfe nur gefertigt – sie sind nicht auf Reisen gegangen, um sie zu verkaufen. Dafür gab es Großhändler, die die Knopfmacher beauftragt und bezahlt haben, um dann die Knöpfe auf Märkten, in Schneiderstuben und Haushalten anzubieten.

Im Holzfass wurden Rohlinge poliert.

Einkommen und Auskommen

Auch sei in mehreren Dokumenten zu lesen, dass die Knopfmacher nur ein karges Auskommen hatten: „Wir haben das Einkommen mal mit jemandem verglichen, der sich beim Bauern verdingen musste, da war der Knopfmacher schon besser gestellt.

Er war unabhängiger von den Jahreszeiten, und die ganze Familie konnte mit anpacken. Ich denke, dass sein Einkommen im Vergleich zum schlichten Arbeiter oder einfachen Knecht schon eine gewisse Steigerung darstellte, und dieses Handwerk von daher eine Attraktivität hatte“.

Metallknöpfe ersetzten bald Knöpfe aus Bein.

In direkter Nachfolge zu den Knochen als Werkstoff für Knöpfe wurde Metall eingesetzt. „Das war haltbarer, gerade wenn der Hosenbund einmal etwas eng war“, erklärt Rosemarie Töpelmann. Die Arbeitsgänge seien mit diesem Werkstoff  einfacher gewesen und bald konnten dafür auch Maschinen eingesetzt werden. Später, als dann auf Kunststoff umgestellt wurde, weil das Material belastbarer, preiswerter und leichter zu beschaffen war, fand das althergebrachte Knopfmacherhandwerk sein Ende, und auch die Knopfherstellung in Reinheim kam zum Erliegen.

Der letzte Reinheimer Knopfmacher

Ein Foto zeigt den letzten Reinheimer Knopfmacher Georg Michel. Das Foto stammt von Sanitätsrat Friedrich Maurer, einem Darmstädter Arzt, der nach 1900 durch den Odenwald zog und das vergehende Handwerk fotografierte.

„Ihm verdanken wir, dass es diese Fotos gibt“, sagt Rosemarie Töpelmann, denn zu der Zeit war es nicht üblich, Arbeitssituationen zu fotografieren. Vielleicht, so vermutet die Museumsfrau, war er der Ansicht, dass man das Wissen über die alten Berufe und Arbeitsszenen bewahren sollte. „Diese Bilder, zusammengetragen in dem Bildband Unser Odenwald, die hat hier im Odenwald und in der Region so ziemlich jeder Haushalt gehabt“. Eine Reproduktion vom Bild des letzten Knopfmachers hängt nun im Reinheimer Museum.

Der letzte Reinheimer Knopfmacher, Georg Michel.

Im Band XIV der „Hessischen Blättern für Volkskunde“ von 1915 wird in einem Aufsatz über aussterbende Handwerke in einer Fußnote berichtet: “In Reinheim im Odenwald ist als letzter Rest der früher so bedeutenden Knopfmacherindustrie noch ein Knopfmacher übrig geblieben; er befasst sich aber nicht mehr mit der Herstellung der gewöhnlichen Beinknöpfe, sondern er verfertigt nur Knöpfe aus nachgemachtem Hirschhorn.“

Vermutlich bearbeitet er damit einen frühen Kunststoff. Vor diesem Hintergrund sei das Thema Knopfherstellung in Reinheim auch für das Projekt Kunststoffstraße wichtig. Die künstlichen Materialien habe man zunächst so bearbeitet wie zuvor die Knochen. Das Knopfhandwerk, das war in Reinheim schon etwas Besonderes, das gab es so in keiner anderen Odenwaldgemeinde.

Kontakt Museum Reinheim, Kirchstraße 41, 64354 Reinheim, Telefon 06162 / 2014 oder 06162 / 80566, www.museum-reinheim.de, toepelmann@remove.this.museum-reinheim.de

Alle Fotos zu diesem Text: R. Töpelmann