DAS ANTHROPOZÄN – Aufbruch in die menschengemachten Umweltprobleme

Wohin mit dem Plastikmüll?

Von Gerd Ohlhauser

Mit Blick auf die Technikgeschichte der Menschheit bezeichnet Prof. Dietrich Braun in seinem Beitrag das gegenwärtige Zeitalter der Kunststoffe als Plasticaeum. Nicht zuletzt zeigt in jüngster Zeit aber gerade der Siegeszug des Kunststoffs in aller Dramatik, wie sehr die Spezies Mensch dem Planeten zusetzt, ja mit dem Klimawandel, Luft-, Boden- und Meeresverschmutzung oder Ressourcenverbrauch zu dessen Bedrohung wird. Weil der Mensch mittlerweile zum größten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist, wurde der bereits im 19. Jahrhundert geprägte Begriff Anthropozän im Jahr 2000 wieder ins Spiel gebracht.

Zum erdgestaltenden Faktor wurde der Mensch tatsächlich erst in den letzten Jahrzehnten. Zwar nahm seit dem Beginn der Industrialisierung um 1800 die Konzentration von Treibhausgasen kontinuierlich zu, kritisch wurde sie aber erst mit der explosionsartigen Zunahme der Weltbevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Innerhalb eines einzigen Menschenlebens wuchs sie auf das Dreifache an, von 2,5 auf 7,5 Milliarden. Auch wenn diese hyperexponentielle Rate seit Ende der 1960er Jahre wieder zurückgeht, erwarten die Vereinten Nationen 2050 immer noch etwa 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde, viermal so viel wie hundert Jahre zuvor. Andere Prognosen sehen die Bevölkerungszahl über 10 Milliarden, bis 2100 über 11 Milliarden, bei gleichbleibender Rate wären es sogar über 16 Milliarden. Sind deshalb die globale Bevölkerungsexplosion, das Streben des Kapitals nach neuen Märkten und noch mehr Konsumenten nicht die eigentliche Bedrohung? Oder lassen sich, einmal erkannt, industrialisierter Raubbau und Naturzerstörung, Ausbeutung, Verelendung, staatlicher Ruin, Überrüstung, Kriege und Massenmigration auf andere Weise durch technologische und zivilisatorische Anstrengungen unter Kontrolle bringen? Etwa einem Paradigmenwechsel, nicht nur weg vom biblischen Auftrag „Wachset und mehret euch“, sondern auch weg vom „Macht euch die Erde untertan“ zu einem symbiotischen Zusammenleben mit der Natur? Von den unkalkulierten und unbedachten Folgen des Machens alles Machbaren hin zur „Freiheit vom Handeln“ (Gandhi).

Immer noch wird die Frage nach den Folgen einer Entwicklung nicht gestellt, auch nicht auf staatlich geförderten Innovations-Workshops. Kaum anzunehmen, dass der Leiter des 2012 neu ins Fraunhofer LBF integrierten Bereichs Kunststoffe sich heute anders äußern würde, als anlässlich der damaligen Übernahme des 1955 gegründeten Deutschen Kunststoffinstituts. Professor Matthias Rehan sagte seinerzeit: „Das Marktpotenzial ist enorm. Die rasante Entwicklung im Bereich der Elektromobilität, der verstärkte Trend zum Leichtbau und die Entwicklung von intelligenten Materialien eröffnen neue Anwendungsgebiete für Konstruktions- und Funktions-Kunststoffe. Wir werden mit Tradition und Kompetenz die Herausforderungen der Zukunft meistern.“ Innovation und Trend sind weiterhin die betörenden, unhinterfragten Zauberworte und Ausdruck ungebrochenen Fortschrittsglaubens.

Ist ein Handlungsprinzip, was einmal mangels Masse ohne negative Folgen blieb, überhaupt noch zu halten angesichts immer neuer sich abzeichnender globaler Katastrophen? Zumal es, wie etwa beim Artensterben, zur Umkehr vielfach bereits zu spät ist, oder wenn, wie bei der Begrenzung der Erderwärmung, die mühsam vereinbarten Klimaziele regelmäßig verfehlt werden?

Nach der alarmierenden Erderwärmung wächst sich jetzt auch der in den fünfziger Jahren einsetzende Plastikboom zur globalen Bedrohung aus.

Zur Erinnerung: Seit Beginn der Industrialisierung ist die Durchschnittstemperatur in Deutschland um 1,4 Grad gestiegen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen der Hauptgrund für die anhaltende Erderwärmung sind. Als Folge kommt es zum Klimawandel, der sich in der Erwärmung der Atmosphäre und Ozeane, in Veränderungen des globalen Wasserkreislaufs, in der Abnahme von Schnee und Eis, im Anstieg des Meeresspiegels und in Wetterextremen äußert. Bis 2100 sei mit einem Anstieg der Temperatur zwischen 1,5 und 4,5 Grad und des Meeresspiegels zwischen 30 und 80 cm zu rechnen.

In den gerade mal 70 Jahren seit dem industriellen Durchbruch der Kunststoffe haben sich Plastikpartikel – bis vor kurzem unbemerkt – massenweise über den ganzen Globus verteilt. Von seinen Pionieren noch euphorisch als die „Kunst, Stoffe zu schaffen“, die die Natur so nicht zur Verfügung stellen kann, gefeiert, sind sie deshalb zum Problem geworden, weil sie eben nicht mit der Natur kompatibel sind. Die meisten bauen sich biologisch nicht ab. Mögen sie auch technisch viel besser sein als natürliche Werkstoffe.

Seit den 1950er Jahren wurden weltweit etwa 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert, von denen sich heute das meiste als Müll in der Umwelt befindet. 2015 belief sich die jährliche Produktion auf 380 Millionen Tonnen mit einer Wachstumsrate von 8,4 Prozent. Bis dahin waren – nach meist nur kurzer Verwendung – 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll angefallen, von dem nur neun Prozent wieder verwertet wurde. Zwölf Prozent wurden verbrannt und 79 Prozent landeten auf Deponien oder in der Umwelt. 30 Prozent des insgesamt produzierten Plastiks sei derzeit im Gebrauch. Bis 2050 könnte sich nach heutigen Schätzungen der Plastikmüll auf zwölf Milliarden Tonnen vergrößern. Die Nachfrage steigt kräftig. So konnte etwa die frühere Bayer-Materials-Sparte, der Spezialchemie-Konzern Covestro, den Konzerngewinn von 795 Millionen 2016 auf 2 Milliarden Euro 2017 steigern. Der Kunststoff-Umsatz legte um satte 18,8 Prozent auf 14,1 Milliarden zu.

Plastik muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Wegwerfmentalität der Massenkonsum-Gesellschaft zumindest genährt zu haben. Es wurde anfangs neben den vermeintlich „echten“ Stoffen als „künstlich“ und damit nicht besonders wertvoll angesehen und war in der Tat oft nur billigerer „Ersatzstoff“ für „natürliche“ Materialien. Im Wirtschaftsboom nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zum Symbol für preisgünstigen Wohlstand. Das Material ohne Wert war schnell weggeworfen, auch aufgrund seiner Anfangsschwierigkeiten: Es vergilbte oder blich aus, wurde spröde und unansehnlich. Als solches war es dennoch ideal für den einmaligen Gebrauch, für Verpackungs- und Ex-und-hopp-Produkte. Plastikfolien, die günstig großindustriell zu blasen oder zu kalandrieren und im Thermo- oder Vakuumverfahren einfach und massenweise zu Behältnissen wie Joghurtbecher zu formen waren, inspirierten und puschten die Entstehung neuer Produkte und Darreichungsformen und den bis heute ungebremsten Boom der Verpackungsindustrie. Vorher lose abgegebene Waren wurden jetzt mundgerecht portioniert und verpackt und in unwiderstehlich verführerischen Hüllen zu einzigartigen Markenprodukten stilisiert. Die Plastiktüte wurde zu ihrer omnipräsenten Tragetasche und bald zum Fanal.

Schon vor 40 Jahren wurde der Slogan „Jute statt Plastik!“ zum Symbol für die bewusste Entscheidung von Konsumenten gegen die Wegwerfgesellschaft und für soziale und ökologische Verantwortung. Die Ölkrise 1973 half der Sensibilisierung. Die Jutetasche wird inzwischen durch Baumwolltaschen aus ökologischem Anbau und fairem Handel ersetzt. Dennoch wurden erst jüngst im Bauch eines an Thailands Küsten verendeten Wals über 80 Plastiktüten gefunden. Dennoch gibt es selbst ökologisches Recycling-Toilettenpapier noch in Plastik-Trageverpackungen. Und Einmal-Trinkhalme aus Plastik werden mit Papierhüllen getarnt.

Kunststoffe sind ohne Frage essentielle Werkstoffe und Treiber der modernen Technologie. Digitale Geräte wie Computer oder Smartphones wären ohne sie nicht denkbar. Für Funktionskunststoffe gibt es, um es mit dem von Professor Braun zitierten 50 Jahre alten Slogan 

"Für Kunststoffe gibt es keinen Ersatz"

zu sagen, in der Tat keinen Ersatz. Sie finden sich überall, weltweit mit steilen Wachstumskurven, diese aber eben auch bei Wegwerf- oder Verbrauchsprodukten wie Verpackungen, Plastiktüten und Kosmetik.

Die verheerende Folge (von der Funktionsplastik nicht gänzlich ausgenommen werden kann): Fünf gigantische Müllstrudel in den Ozeanen. Im größten, dem sogenannten Großen Pazifischen Müllstrudel zwischen Hawaii und Nordamerika treiben knapp 80.000 Tonnen Plastikmüll auf einer Fläche 4,5 mal so groß wie Deutschland bzw. in der Größe Mitteleuropas: Fischernetze, Kisten, Flaschen, Tragetaschen, Kleinstteile. Währenddessen wächst der Plastikeintrag beständig. Wegen geringerer Dichte sinkt er nicht in die Meerestiefe, sondern zerfällt erst unter Einwirkung des Sonnenlichts in immer kleinere Teilchen. Die kleingeriebene Mikroplastik, die 90% der Altlasten ausmacht, schwebt in der Wassersäule oder lagert sich in den Sedimenten am Meeresboden ab. Dort schleicht sie sich ins Gewebe von Meereslebewesen ein und gelangt über den Fischfang in die Nahrungskette.

Auch in der Arktis haben Polarforscher erschreckende Konzentrationen solcher Kunststoffteilchen gemessen: bis zu 12.000 Partikel in einem Liter Packeis. Und selbst die Antarktis, wo eine Ringströmung um den Kontinent nur minimalen Wasseraustausch mit nördlicheren Wassern zulässt, ist bereits von Mikroplastik durchsetzt.

Die Flüsse sind ebenfalls erheblich mit Mikro- und Nanoplastik belastet: Plastikfasern und Beimischungen wie Elasthan, Acryl oder Polyester, die sich beim Waschen aus der Synthetikkleidung oder Windeln lösen, Kunststoffzusätze aus Waschpulvern, Haarwaschmitteln, Zahnpasta, Pflegemitteln und Kosmetika. Nach neusten Erkenntnissen enthalten selbst Mineralwasser-Abfüllungen, einerlei ob in PET- oder Glasflaschen, Spuren von Plastikpartikeln.

Auch wenn die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt noch wenig erforscht sind, so leben wir jedenfalls mit einer zivilisatorischen Grundlast von Mikroplastik in unseren Gewässern, die hunderte, gar tausende Jahre überdauern könnte – verursacht vor allem durch Einwegprodukte und Verpackungen. Der Druck auf die Gewässer wächst im übrigen auch durch die immer größere Menge von Medikamenten, die verbraucht werden. Über die Ausscheidungen gelangen Reste der Mittel in Gewässer und Böden, Hormone aus Antibaby-Pillen, Schmerzmittel oder Antibiotika, die zu Resistenzen führen. Und gerade eben (21. Juni 2018) hat der Europäische Gerichtshof Deutschland verurteilt, weil die Regierung zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser unternommen hat. Nitrat gelangt beim Düngen in der Landwirtschaft ins Wasser. Deutschland hätte zusätzliche oder verstärkte Maßnahmen treffen müssen, um seine Gewässer zu schützen.

Was tun? Die Erforscher der genannten Phänomene schlagen höhere Recyclingraten, nachhaltige, biobasierte Materialien, den Ausbau der Müllverbrennung und in offensichtlicher Verkennung der kapitalistischen Eigendynamik geringere Produktionszahlen und längere Nutzung vor. Bisher wurden gerade mal 600 Millionen Tonnen recycelt, aber auch diese Produkte werden nach kurzer Wiederverwendung wieder entsorgt. Recycling, halten andere entgegen, löse nicht das Problem, es vermindere die Qualität (Downcycling) und verzögere nur den Zeitpunkt, an dem das Material zu Müll werde. Die künftige Müllmenge ließe sich nur durch eine geringere Primärproduktion von Plastik reduzieren. Für das, nach Zement und Stahl, mittlerweile am meisten hergestellte Material sollte es doch Einsparungsmöglichkeiten und Alternativen geben. Anzusetzen wäre bei der Vermeidung von Verpackungsmaterialien, die nur sehr kurz in Gebrauch blieben. Jeder Deutsche generiert 37 Kilogramm Verpackungsmüll aus Plastik im Jahr, sechs Kilogramm mehr als im EU-Durchschnitt, „Vorsprung durch Kunststoff“ im Pionierland des Kunststoffs.

Eine EU–Richtlinie gegen Einweg-Plastiktüten gibt es bereits; nun liegen weitere konkrete Vorschläge auf dem Tisch. „Unsere Richtlinie deckt 70 Prozent des Plastikmülls ab, der an Europas Stränden zu finden ist“, so der Kommissionsvizepräsident Timmermans. „Wir zielen auf die zehn meistverbreiteten Einwegprodukte, die in der Umwelt landen und die sich nur sehr schwer recyceln lassen. Wattestäbchen aus Plastik, Einwegbesteck, Trinkhalme, Kaffeerührer, Ballonhalter und Teller.“ Darüber hinaus nimmt die Kommission eine Reihe von Wegwerfartikeln ins Visier, die zwar nicht verboten, wohl aber massiv zurückgedrängt werden sollen. Darunter Verpackungen für Fastfood oder Getränke, Plastikdeckel oder Luftballons. Bis 2025 sollen die Mitgliedstaaten 90 Prozent aller Plastikflaschen einsammeln – zum Beispiel durch ein Pfandsystem – und die Mülltrennung forcieren: Müll soll besser getrennt, konsequenter eingesammelt und zu steigenden Anteilen wiederverwertet werden.

Im EU-Durchschnitt werden bisher nur 46 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt. Das EU-Parlament hat daher beschlossen, dass die Recyclingquote für Hausmüll bis 2025 mindestens 55 Prozent und bis 2035 mindestens 65 Prozent erreichen muss. Bisher galt als Ziel, dass 44 Prozent wiederverwertet werden sollen. Von 2035 an sollen dann noch maximal zehn Prozent des Abfalls auf der Deponie landen. Doch Recycling ist eigentlich Downcycling und deshalb nicht allzu oft wiederholbar. Deshalb arbeitet Deutschland an neuen Standards für besser recycelbare Verpackungen. Ein neues Verpackungsgesetz schreibt den Dualen Systemen vor, ihre Preise an die Wiederverwertungsqualität zu koppeln. Der jüngste chinesische Importstopp für Plastikabfälle könnte der europäischen Recyclingwirtschaft und -technik sogar eine bessere Economy of scale (abnehmende Produktionskosten bei zunehmender Produktionsmenge) bescheren und deren Ausbau beschleunigen. Erst recht, wenn es dem Niederländer Boyan Slat gelingen sollte, mit den riesigen Fangarmen seines Ocean Cleanup, den ganzen Plastikmüll der goßen ozeanischen Müllstrudel zur Wertstoffverwertung abzuschöpfen.

Die geplanten Verordnungen lösen noch nicht das grundsätzliche Problem der Wegwerfgesellschaft. Wir haben immer noch zu viel Verpackungsmüll. Selbst das Wegwerfen von Biokunststoffen schafft Probleme. Der allermeiste Plastikmüll wir deshalb heute verbrannt – nicht immer umweltneutral. Für Plastik gilt daher bis auf weiteres: Möglichst gar nicht erst verwenden.

Die EU sucht bereits seit längerem nach Wegen von der linearen Wegwerf- hin zur Kreislaufwirtschaft, die im Idealfall gar keinen Müll mehr produziert. Erst die geschlossenen Kreisläufe von Mehrwegsystemen würden das nicht kompatible Material von der Natur auskoppeln.

Eine entsprechende europäische Plastikstrategie ist allerdings erst für 2030 geplant. Ob und in wieweit diese Kleber, Kunstharzlacke, Dispersionsfarben oder Bauhilfsprodukte wie Silikon, die fein verteilt ebenfalls überall in der Umwelt vagabundieren, im Blick haben wird, ist nicht bekannt.

Forscher sind zwischenzeitlich auf Bakterien und Raupen gestoßen, die Plastik zersetzen können. Im großen Maßstab eingesetzt, könnten sie dem Material vielleicht doch einmal einen biologischen Ausweg in die Natur ermöglichen.

Aufgeschreckt durch die fast täglichen Hiobsbotschaften in den Medien werden auf Verbraucherseite immer neue Vermeidungsstrategien erwogen. Unverpackt-Läden, in denen man lose Ware mit mitgebrachten Behältnissen plastikfrei einkauft, breiten sich immer mehr aus. Beim Climathon 2017 sollten die Teilnehmer unter dem Motto „Plastik – Reduce.Reuse.Recycle.“ in einem 24-stündigen Ideenmarathon Lösungen finden. Das Veranstaltungsformat wird in mehr als 90 Metropolen weltweit ausgerichtet. In Frankfurt am Main erhalten Schüler für handlungsorientierte Umweltschutzideen wie Frühstück ohne Plastik ein Nachhaltigkeitsdiplom vom Oberbürgermeister. In Offenbach lesen sie im Rahmen der Aktion „Sauberhafter Schulweg“ rund um ihre Schulen Müll auf. Praktische Verantwortung soll ihr Bewusstsein für den Umweltschutz schärfen. Der Landkreis Darmstadt-Dieburg will ab dem Herbst 5.000 Coffee-to-go-Mehrwegbecher verteilen, um Umweltbewusstsein zu stiften und zur Reduzierung des Mülls beizutragen.

Mit Umwelterziehung in Kita und Schule oder humorvollen Mülleimer-Aufschriften ist es allerdings nicht getan. Es sei denn, die so Sensibilisierten nehmen das Bewusstsein später mit in die Chefetagen. Die Frage ist nicht, was soll bzw. darf ich kaufen, sondern warum ist es überhaupt möglich, dass Produkte, die die Natur zerstören, in den Läden stehen? Ganzheitlich betrachtet hat die ökologische Krise eine Ursache: Sie ist kein wichtiger Faktor für marktorientierte Konzerne. Vielfach gründet deren Profit gerade auf Naturzerstörung. Mit dem Versprechen, sich selbst um die Probleme zu kümmern, die sie verursachen, halten sie sich die Politik vom Hals, die den Profit durch Auflagen und Gesetze einschränken könnte. Und sie verkaufen ihren Kunden ein gutes Gewissen, damit sie weiter sorglos konsumieren. Je absurder die Ökoversprechen der Konzerne, umso eher und bereitwilliger (weil das Gewissen entlastend) werden sie geglaubt. Erst wenn Unternehmen zur Verantwortung gezogen würden und ihre Opfer gegen sie klagen könnten, würden sie auf das Wachstumspotential, das im Umweltschutz steckt, einschwenken.

Noch jedenfalls gibt es keine fertige Strategie zur Vermeidung des Plastikmülls mit all den genannten ökologischen Folgen, da kündigt sich bereits eine neue Dimension des Problems an. Bis zur Mitte des Jahrhunderts, schätzt man, könnte bereits die Hälfte der Industrieprodukte aus 3D-Druckern kommen. Für die digital-additive Verarbeitung müssen die klassischen Materialien, ob Metall, Keramik oder Kunststoff ähnlich zugerichtet werden. Die materielle Seite der Dinge wird sich nivellieren, passgenau entwickelte Eigenschaften werden im Vordergrund stehen. Polymere Kunststoffe könnten eine noch größere Rolle spielen.

Das Drucken und Zusammensetzen vor Ort verlagert die Produktion in die Absatzmärkte, was die Organisation der Weltwirtschaft erheblich verändern wird. Der Güterexport wandelt sich via Datentransfer zum Dienstleistungshandel. Internationale Handelsabkommen und juristische Absprachen würden sich erübrigen beziehungsweise wären vollkommen neu zu denken.

Jeder Nutzer könnte an jedem Ort der Welt bestellen, einkaufen und die Ware entgegennehmen, stärker seine Wünsche durchsetzen, in vielfacher Weise mitbestimmen oder selbst zum Gestalter werden.

Wie alle privatwirtschaftlichen Entwicklungen wird sich auch diese nicht um die ökologischen und gesellschaftlichen Folgen scheren. Aber ihre Eindämmung wird diesmal nicht mehr auf nationaler oder Bündnisebene, sondern nur noch im globalen Miteinander staatlich ausgehandelt und durchgesetzt werden können.

Nicht die Disziplin Einzelner wird das Problem lösen können. Auch nicht all die wohlgemeinten privaten Initiativen der Müllvermeidung. Wohl aber können problembewusste Verbraucher den Druck auf die Politik erhöhen, die Verwendung gesetzlich zu regeln, die Kreisläufe nachhaltig zu schließen und für Wegwerfprodukte allenfalls biobasierte Materialien zuzulassen. Nicht der Produktionsstoff ist das Problem, sondern seine geordnete nachhaltige Verwendung. Der Weg muss vom „Verbrauch“ hin zum nachhaltigen „Gebrauch“ führen. Industrielle Prozesse müssen auf geschlossene Wertstoffkreisläufe nachjustiert werden, Abfälle als Rohstoffe für neue Produkte genutzt werden. Das kann ein Treiber für Innovationen werden, wenn es nicht betriebswirtschaftlicher Kalkulation von Aufwand und Ertrag anheim gestellt bleibt, sondern allen gleichermaßen gesetzlich vorgegeben wird.

Die Kunststoffstrasse schaut nicht nur auf eine epochemachende Entwicklung der Kunststoffe zurück, sondern engagiert sich hiermit auch für ihre nachhaltige Verwendung.

Nicht quellenmarkierte Daten, Fakten und Textpassagen collagiert aus den fast täglichen Medienberichten der letzten zwölf Monate vor Drucklegung (2018).